Virtuelle Production – Eine (R)evolution der Filmindustrie?
Eine ganz bestimmte Technologie in der Filmproduktion revolutionierte vor einigen Jahren die Branche. Der Name lautet „Virtual Production“. Sie lässt das reale Filmset mit einer digitalen Welt verschmelzen. Das bringt einige Vorteile mit sich, die nicht nur Kosten und Zeit einsparen, sondern auch der Umwelt etwas Gutes tun. Der folgende Beitrag fasst die Vorteile zusammen und zeigt, wo die Zukunft hingehen könnte.
Was ist Virtual Production?
Virtual Production erlaubt, die digitale Welt in die Realität zu überführen – und das nicht erst in der Post-Production, sondern dank bestehender Gaming-Technologien in Echtzeit vor Ort am Set. Das heißt, anstatt Hintergründe erst in der Post-Production in das Bild zu integrieren, wie es beim Greenscreen möglich ist, lässt sich mittels Virtual Production der Hintergrund direkt vor Ort am Set einstellen.
Für Filmschaffende bedeutet diese Art der Filmproduktion, dass sie nur noch ein einziges Filmset benötigen: Das Virtual Production Studio. Ein Raum, ausgestattet mit hohen LED-Wänden, auf denen sich u.a. die verschiedenen Filmsets abbilden lassen. Die Schauspieler*innen müssen keine Vorstellungskraft für das Set einsetzen, sie können direkt mit und in der Umgebung spielen. Darüber hinaus sind neue Stilmittel realisierbar. Durch 3D-Animationen soll die Immersion, also das Gefühl mittendrin zu sein und nicht nur vor dem Bildschirm zu sitzen, gesteigert werden.
Der erste erfolgreiche Blockbuster, welcher an virtuellen Sets produziert worden ist, erschienen bereits 2013 mit „Gravity“. Es folgten weitere Blockbuster wie „Rogue One – A Star Wars Story“ (2016), „Lion King“ (2019), „The Mandalorian” (2020), „The Batman“ (2022) und zuletzt “Haus des Geldes – Berlin“ (2024). Heute wird Virtual Production vor allem in der Werbung eingesetzt, da es Zeit und Geld spart, nur an einem Filmset produzieren zu müssen.
Wie funktioniert Virtual Production?
Um die Virtual Production Technologie für die Filmproduktion anzuwenden, braucht es ein Studio, das mit LED-Wänden oder Greenscreens ausgestattet ist. Die Leinwände sind zumeist im Halbkreis angeordnet, auch LED-Panels an der Decke sind möglich. Auf diese Wände werden Hintergründe übertragen, die vorab digital (auf Grundlage einer Game-Engine) produziert worden sind.
Bei der Produktion mit LED-Wänden kann die virtuelle Welt auch für die Darstellenden sichtbar gemacht werden. Werden Greenscreens verwendet, ändert sich für die Darstellenden nichts zur üblichen Greenscreen-Produktion, die Regie jedoch bekommt in Echtzeit ein Bild des Darstellenden im virtuellen Raum zu Gesicht und kann schon vor der Post-Production wichtige Entscheidungen treffen. Diese Innovation ist nur durch die Verbindung von Kamera und Game-Engine möglich.
Die Kamera bewegt sich in diesem Studio, einem sogenannten volumetrischen Raum. Durch diesen genau vermessenen Raum wird es möglich, dass ein Computer die Kamera und alle Elemente vor der Kameralinse trackt und in einer 3D-Umgebung platziert. Diese Informationen werden dabei in Echtzeit pixelgenau an die Engine übermittelt, wodurch sich die Hintergründe unmittelbar an die Kamerabewegung anpassen können. In Abhängigkeit vom Kamerawinkel wird so jederzeit ein realistisches Bild erzeugt. Virtual Production wirft damit so ziemlich alles über den Haufen, was bisherige Filmprozesse bestimmte.
Vorteile von Virtual Production
Unabhängigkeit und volle Kontrolle
Durch die Filmproduktion im Studio werden Dreharbeiten unabhängig von Zeit, Wetter und Ort. Externe Störfaktoren, wie Umgebungsgeräusche oder sich verändernde Lichtverhältnisse durch Wetterumschwünge oder der Wechsel der Tageszeiten entfallen. Stattdessen behält die Regie die absolute Kontrolle über das gesamte Filmset und die Dreharbeiten werden unter optimal Bedingungen realisiert – Der Traum eines jeden Filmschaffenden, der nun, zumindest für die etablierten Filmproduktionen, wahr wird.
Kostenersparnis
Durch die Dreharbeiten im Studio entfallen auch einige Herstellungskosten wie die Suche nach der richtigen Location, der Transport von Crew und Equipment oder die aufwändigen Bildbearbeitungen in der Post-Production. Das spart Zeit, wenn Lichtverhältnisse nicht nachträglich künstlich erzeugt oder Hintergründe umständlich eingefügt werden müssen, um ein realistisches Bild zu erzeugen. Weitere Kosten und natürlich Zeit lässt sich durch sekundenschnelle Orts- bzw. Hintergrundwechsel einsparen.
Dank der in den Game Engines erstellten Umgebungen sind auch Veränderungen und Detailanpassungen (Licht, Farbe) schnell und einfach möglich. So können Hintergrundelemente (etwa Berge oder Gebäude) problemlos verändert, entfernt oder neu hinzugefügt und die Lichtverhältnisse angepasst werden, um die perfekte Umgebung für die Aufnahme zu schaffen.
Einfachere Reproduzierbarkeit und Flexibilität
Ein weiterer Vorteil ist die Reproduzierbarkeit der vorab produzierten virtuellen Welten. Der Nach-Dreh von verpatzen Szenen wird damit zur Leichtigkeit. Die Flexibilität, die für Filmschaffende durch die Virtual Production Technologien und die veränderten Produktionsabläufe geschaffen wird, lädt zum Experimentieren ein. Es eröffnet sich eine maximale Freiheit auf allen Ebenen.
Klimaschonende Alternative
Natürlich verbrauchen die LED-Wände und die erforderliche Rechenleistung enorm viel Strom. Allerdings ersetzen die LED-Wände auch einen Teil der Beleuchtung. Was aber viel ausschlaggebender ist: Virtual Production kann durchaus als „Green Shooting“ bezeichnet werden, denn durch das Vermeiden von Reisen und die Reduktion von Drehtagen stellt Virtual Production eine klimaschonende Alternative zum Dreh vor Ort dar.
Ein Blick in die Zukunft: Was die Öffentlich-Rechtlichen daraus machen
Der öffentlich-rechtliche TV-Sender ZDF blickt fortschrittlich in die Zukunft. Mit Hilfe von Virtual Production werden nicht nur umweltbelastende Reisen an verschiedene Orte der Welt eingespart, es sollen – laut Aussagen des Senders – vor allem immersive Erlebnisse für junge Menschen geschaffen werden. Weg vom linearen Fernsehen, hin zum innovativen Content ist das Ziel des ZDF.
So konnte zum Beispiel mittels der Virtual Production Technologie eine realistische Interviewsituation für die ZDF Zeit Produktion „Nach der Flut“ geschaffen werden, in welcher Betroffene in einer detailgetreuen, animierten Realität über die Naturkatastrophe im Ahrtal sprechen. Auch für die Programmmarke Terra X wird Virtual Production immer wieder eingesetzt. So muss der Reporter nicht mehr wirklich in der Sahara oder auf dem Mount Everest stehen und kann trotzdem Qualitätsjournalismus bieten.
Kleiner Side-Fact: Für noch mehr immersive Erlebnisse wurde für Terra X ein interaktives Online-Spiel namens „Tiefseetauchfahrt“ produziert, das dazu einladen soll, die in der Thriller Serie „Der Schwarm“ vermittelten Inhalte auf eine innovative Weise neu zu erleben. User*innen können sich dabei durch eine virtuell entstandene Unterwasserwelt bis zum Meeresboden klicken und auf dem Weg zahlreiches Wissen rund um die Bewohner des Ozeans erfahren.
Wir als Agentur sind gespannt auf die weitere Entwicklung. In Sachen Greenscreen-Technik sind wir bereits sehr erfahren und freuen uns auf unser erstes Projekt, in dem wir diese neue Technik einsetzen dürfen.
Auf den Boden der Tatsachen
Für kleine Medienagenturen wie uns ist diese Art von Filmproduktion nicht realisierbar. Unsere Projekte sind von regionalen Bezügen geprägt. So waren wir zum Beispiel für Wir lieben Recycling (kurz: WLR) auf den verschiedensten Wertstoffhöfen und Abfallwirtschaftsbetrieben unterwegs. Die Arbeit lebt auch immer ein bisschen von Spontanität am Set. Was gibt der Ort her? Wie sind die Menschen, die dort arbeiten?
Doch wer uns kennt, weiß, Umweltbewusstsein liegt uns am Herzen. Egal ob bei Filmproduktionen oder innerhalb anderer Aufgaben, wir achten auf Regionalität, Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit. Das spiegelt sich nicht nur bei der Auswahl unserer Kunden wider, sondern auch in der Zusammenarbeit mit anderen regionalen Unternehmen, wie Druckereien.
Müssen wir wie bei unserm WLR-Dreh im vergangenen Sommer doch einmal quer durch Norddeutschland und bis nach Frankfurt fahren, sind wir selbstverständlich mit so wenig Autos wie möglich unterwegs. Das ist nicht nur besser für die Umwelt, sondern sorgt auch für jede Menge Spaß bei der Autofahrt und schweißt das Team zusammen. Mit dem nötigsten Equipment, einem guten Zeitplan und jeder Menge guter Laune in der Tasche, produzieren wir auch ohne Virtual Production in kurzer Zeit, mit möglichst wenig Umweltbelastung, tolle Filme.